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You don’t get what you want, you get what you need

Vom kältesten, zum höchsten und zum überfülltesten Ort (1.10.23)

Um 5:30 Uhr war am Sonntagmorgen die Nacht vorbei. Es wurde auf der Straße, die an meinem Schlafplatz unmittelbar vorbei führte, langsam zu unruhig. Auch gingen die ersten Hundebesitzer durchs Dorf (Villanueva de las Torres). Nur einige Gründe, warum ich lieber außerhalb von Ortschaften übernachte. Als ich mich aus Schlafsack und Biwak quälte, bemerkte ich erst wie kalt es war. Nur noch 6 Grad, also mehr als 35 Grad Temperaturunterschied zum letzten Nachmittag. Ich zog alles an, was ich dabei hatte, und fuhr schnell los, um mich warm zu treten. Kurz nach 7 Uhr erreichte ich die Kreuzung, an der die Straße von Gorafe aus von links auf meine Route stieß. Ich hatte Hunger, es war kurz vor Sonnenaufgang und mittlerweile nochmal ein Grad kälter als beim Start des heutigen Tages. Von meinen Vorräten waren nur noch die Packung Turrón und die Haribo übrig, Hauptsache Kalorien. Ich fuhr eher langsam, fröstelnd und unmotiviert weiter. Die ersten Gedanken kamen auf, nicht bis Tarifa weiterzufahren, sondern direkt nach Málaga, wohin meine Frau und meine Tochter am nächsten Tag reisen würden. Ich fror trotz zwei Merino Unterhemden, einem Trikot, einem Halstuch, dicker Mütze, Daunenjacke und Regenjacke, ich hatte keine Energie mehr. Kurz nach 8:15 Uhr erreichten die ersten Sonnenstrahlen meine Straße. Und spätestens 15 Minuten später musste ich beinahe alle Klamotten ausziehen, denn es war wie ein umgelegter Schalter.

Mit der Sonnenenergie ging es wieder weiter. Die umliegenden Felder wurden größtenteils bewässert. Und das Wasser mit dem lehmartigen Untergrund bildeten öfters eine glitschige und klebrige Masse, die meine Reifen komplett zusetzte. Irgendwie kam ich dennoch voran, und erreichte gegen 10 Uhr Darro. Zunächst hatte ich mir an der Tankstelle bereits neue Müsliriegel und Cola besorgt. In Darro fand ich eine Bodega, wo die Angestellten noch mit Aufräumarbeiten von letzter Nacht beschäftigt waren. Einige Spanier waren aber bereits zum Frühschoppen gekommen. Ich bestellte mir Baguette und Kaffee, und gab mein Telefon und die Powerbank der Bedienung, mit der Bitte diese aufzuladen. Es wurde immer voller. Die Gespräche drehten sich um Politik und Fußball, soweit ich es verstehen konnte. Am Nachbartisch wurde eifrig Domino in einer atemberaubenden Geschwindigkeit gespielt. Ich habe lange Pause gemacht und erst gegen 11:30 Uhr, nach ein paar weiteren Kaffee, und nachdem mein Telefon und Powerbank wieder ausreichend geladen waren, weiter gefahren. Es ging weiter durch Olivenhaine und leicht bewaldetem Gebiet langsam, aber sicher, Richtung Granada. Vorher stand aber der mit 1891 m höchste Punkt des Iberica Traversa auf dem Programm. Gegen 14:45 Uhr erreichte ich ⁨Quéntar⁩ am Fuße des Anstiegs hinauf zum Collado del Alguacil. Am Dorfbrunnen füllte ich meine Flaschen neu auf. Ich hatte gerade ein Haus mit einem Schild Restaurant passiert, könnte aber keinen Eingang vernehmen. Vom Brunnen aus sah ich, dass sich der Eingang im ersten Stock des Hauses, mit Zugang von einer anderen Straße her befand. Es schien gut besucht zu sein, und kurzentschlossen kehrte ich ein. Ein einziger Tisch war frei. Ich bestellte etwas, ohne genau zu wissen, was ich da jetzt zu erwarten hatte. Es gab Tappas, Brot, und ich fand es sehr lecker. Dann kam erst die Hauptmahlzeit. Kartoffeln, Geschnetzeltes mit einer super leckeren Soße und Gemüse. Es schmeckte köstlich, und zum ersten Mal während eines Ultracycling Events, habe ich es nicht geschafft alles zu essen. Nachdem ich bezahlt hatte (super günstig war es auch noch), ging es gemächlich hinauf zum Collado del Alguacil.

Aufstieg zum höchsten Punkt der gesamten Tour

Der Anstieg ließ sich gut fahren, und vom höchsten Punkt aus hatte man eine Aussicht bis zum Pico del Veleta, dem mit 3384 m höchsten mit einem Straßenrad in Europa erreichbaren Gipfel. „Wenigstens das bleibt mir erspart“, dachte ich. Die Teilnehmer der Straßenvariante mussten aber den langen Anstieg von fast 50km bewältigen. Ich machte mich auf die Abfahrt, die zu meiner positiven Überraschung geteert war. In Guéjar Sierra genehmigte ich mir eine kalte Cola, bevor ich die letzten Kilometer bis Granada in Angriff nahm. Es rollte auf der Straße sehr gut, und ich konnte den nächsten Kontrollpunkt in Granada, am Plaza Mirador de San Nicolás, mit Aussicht auf die Alhambra, kurz nach 20 Uhr erreichen. In Granada selber war an diesem Sonntagabend der Teufel los. Menschen über Menschen. Ich glaube, alle Touristen der Welt waren just heute hier. Ein durcheinander von Sprachen und Kulturen.

Die Alhambra in Granada

Eine australische Touristin machte ein paar Bilder von mir. Sie war mit ihrer kanadischen Freundin unterwegs durch Europa, oder zumindest Spanien. Mir war es nach den vielen Tagen im Nirgendwo einfach zu laut und zu hektisch. Ich buchte mir ein Hotel im Zentrum, checkte ein, und kaufte nach dem Duschen noch Abendessen und Sachen für den nächsten Tag ein. Im Anschluss hatte ich endlich Gelegenheit, meine Schaltung und andere Baustellen an meinem Rad zu reparieren.

Mondlandschaft und bergauf Schieben (2.10.)

Am nächsten Morgen war Granada wie ausgestorben. Kaum jemand war unterwegs. Auch die Autos konnte man an einer Hand abzählen. Es ging schnell wieder auf Gravelstrecken weiter Richtung Süden aus der Stadt und den umliegenden Orten hinaus in eine ländliche Gegend. Zunächst mit vielen Olivenhainen in einem Wechsel von Teer und Gravel. Meine Schaltung funktionierte merklich besser, aber irgendwie immer noch nicht perfekt. Ich entschloss mich zur Sicherheit einfach den Schaltzug zu wechseln, obwohl ich keinerlei Beschädigung von außen feststellen konnte. Gesagt, getan, brachte es keine Verbesserung. Bis zum Ziel in Tarifa würde ich es jetzt auch mit defekter Schaltung schaffen. Aber das Rad hielt bis zum Ende durch. Nach den Olivenhainen wurde die Gegend merklich trockener, karger, und steiniger. Durch eine Art Mond oder Marslandschaft ging es bergauf. „Hier könnte man auch Science-Fiction-Filme drehen, die auf dem Mars spielen“, dachte ich.

Die Temperaturen waren wieder jenseits der 40 Grad Celsius, und Schatten gab es nicht. Nach einer Abfahrt, es war Siesta Zeit, schaute ich im Internet, ob es vielleicht einen Supermarkt in einem der nächsten Orte gab, der durchgehend geöffnet hat. In allen Ortes auf dem Weg war es leider nicht so. Aber Google fand in Zaffaraya einen durchgehend geöffneten Supermarkt, der nur knapp 5 km Umweg (hin und zurück) bedeuteten würde. Also nicht wie hin, aber nur um festzustellen, dass Google bei Öffnungszeiten leider sehr oft falsch liegt. Natürlich war auch dieser Supermarkt geschlossen. Frustriert fuhr ich weiter. In Alfarnate, rund 15 km weiter, sollte es zumindest eine Bar geben, die geöffnet hat. Aber mein Vertrauen in Google war, auch nach den Erfahrungen während des TCR, dahin. Es half ja nichts, ich musste weiter. Nach einem Anstieg auf geteerter Straße ging es auf einer Gravelstrecke hinunter nach Alfarnate. Die Bar hatte tatsächlich geöffnet, und ich konnte mir zumindest kalorienreiche und kalte Getränke einverleiben, und die Trinkflaschen wieder auffüllen. Bis Villanueva del Trabuco, dem nächsten größeren Ort, waren es noch einige Kilometer (und Stunden, wie ich nachher feststellen musste), so dass dort die Supermärkte wieder geöffnet haben sollten. Kurz nach Alfarnate ging die Strecke geradewegs in einen Berg hinein. Es war so steil, dass selbst das Schieben des Rades einige Herausforderungen mit sich brachte. Die rund 240 Höhenmeter auf 1,5 km über einen steinigen Feldweg, für die ich etwas über 50 Minuten benötigte, hätte ich gerne umfahren. Hinunter war die Straße merklich besser, und ich konnte mich am Ende in Villanueva del Trabuco dem nächsten größeren Ort, bestens versorgen. Nach einer Pause in einem Olivenhain außerhalb des Ortes ging es weiter Richtung Südwest, wo Andy Buchs ein weiteres Mal mit Kamera „bewaffnet“ am Wegesrand stand, um Aufnahmen zu machen.

Noch während wir uns unterhielten, rief Irena bei Andy an, um ihren Unmut bezüglich des steilen Anstiegs hinter Alfarnate, kundzutun. Die folgenden Kilometer durch die hüglige Gegend verliefen unspektakuläre, und ich konnte die Fahrt richtig genießen. Den nächsten Checkpoint in Antequera erreichte ich im Dunkeln gegen 21:25 Uhr. Mehr als 20 Minuten habe ich versucht ein Hotelzimmer im nächsten Ort, Valle de Abdalajis, zu buchen. Entweder verstand man mich nicht am Telefon, oder alle Zimmer waren belegt. Ich brauchte eine Dusche, soviel war klar. Entnervt, und gefühlt viel zu früh, fuhr ich zu einem Hotel in Antequera, checkte ein, und ließ den Tag gemütlich ausklingen.

Drei Kilometer zum Vergessen und unglaubliche Architektur in Ronda (03.10.)

Kurz nach 6 Uhr brach ich auf, weiter Richtung Süden. Der nächste Checkpunkt war am Camino del Rey, nur 32 km entfernt. Nach einem giftigen Anstieg auf Asphalt am Ortsausgang von Antequera, erreichte ich gegen 8:30 Uhr Valle de Abdalajis. Ich kaufte etwas Brot in einer Bäckerei ein, und setzte mich außerhalb des Ortes in einem steilen Anstieg in die Sonne, um ein zweites Frühstück einzunehmen. Just dann kam Irena dort vorbei. Wir haben etwas länger miteinander geredet, bevor sie ihr Rad weiter den Berg hinaufschob. Nach einem Telefonat mit meiner Frau bin ich dann hinterher und erreichte den nächsten Checkpoint am Camino del Rey gegen 10:00 Uhr.

Danach ging es auf einer Straße hinauf zum nächsten Hochplateau, und dort auf Feld und Waldwegen weiter. In Ardales, es war mittlerweile kurz vor 12 Uhr, kaufte ich in einem Supermarkt ein. Ich setzte mich auf den schönen Dorfplatz, um Pause zu machen, und erreichte gegen 16:00 Uhr einen Singletrail. Im Routebook stand: „2,9 km Technical, some short sections to carry the bike over rock slides“. Unfahrbar, durch ein Flussbett, zu steil, zu steinig.

Um 18:35 Uhr hatte ich diese Episode, die ich am liebsten aus meinem Gedächtnis streichen würde, erfolgreich hinter mich gebracht. Es waren weniger als 2 Stunden Helligkeit vom Tag übrig. Und Ronda, den nächsten Checkpunkt, wollte ich unbedingt im Hellen erreichen. Also Gashahn auf, und, voilà, ich war bei Sonnenschein auf der berühmten Puente Nuevo Brücke, Checkpoint 12. Nachdem ich Fotos gemacht hatte, noch ein kurzer Einkauf. Ich wollte weiter, und wenn möglich am nächsten Tag in Tarifa ankommen.

Eine letzte Nacht im Freien, und dann durch. Nach einer Pause mit Verpflegung, ging es weiter entlang des Guadiaro Flusses, über Single Trails. Meine Helmlampe reichte hier bei weitem nicht aus, um die Szenerie auszuleuchten. Ich kam nur langsam voran. Auch gaben mir die Schilder, die vor Absturzgefahr warnten, zu denken. Wie oft war ich auf den letzten 1600 km an steilen Stellen vorbeigekommen, wo kein Schild stand. Meine Lampe reichte nicht, um bis zum Boden der Schlucht zu leuchten. Vielleicht war es gut so. Ich kam, mal fahrend, mal schiebend, langsam voran. Kurz vor Ende des Singletrails, wo man für einige Kilometer auf Straßen traft, überholte mich Irena. Sie hatte eine wirklich helle Helmlampe. Ich konnte aber noch nicht einmal folgen. Nächstes Mal werde ich dahingehend aufrüsten. Im nächsten Ort traf ich Irena wieder. Wir füllten an einem Brunnen unsere Flaschen auf, und fuhren ein paar Kilometer gemeinsam weiter. In Cortes de Frontera suchten wir beide nach guten Plätzen für die Nacht. Ich fing an, darüber nachzudenken, einfach weiterzufahren und die Nacht bis zum Ziel zu durchzufahren, zumindest für einige weitere Stunden. Während Irena weiter nach Übernachtngsmöglichkeiten suchte, fuhr ich weiter. Ein paar Kilometer nach dem Ort ging es von der Asphaltstraße wieder auf einen Waldweg. Im Tal war es merklich kühler. Aber nach nur ein paar Kilometern stiegen der Weg und die Temeraturen wieder an. Gegen 2 Uhr morgens fand ich eine gute Stelle zum Übernachten. Nach der üblichen Routine, alle Geräte an die Powerbank anzuschließen, träumte ich sanft dahin.

Nur noch schnellst Möglichst und Glücklich ins Ziel (04.10.)

Um 6 Uhr klingelte der Wecker. Es war bewölkt, aber trocken. Der Weg verlief durch Wälder und über Felder. Viele Kuhgatter, die es zu öffnen und schließen galt. Einmal musste ich den Weg etwas suchen, bevor ich weiter fahren konnte, aber ich kam gut voran. Jimena de la Frontera erreichte ich gegen 8 Uhr. Hier waren viele Wanderer und Läufer unterwegs. Wahrscheinlich ein Teil einer prominenten Wanderroute. Ich fuhr weiter bis ich nach weiteren 22 km Castelar erreichte.

Hier sollte es ein Kiosk geben. Es war Zeit, etwas Essbares zu finden. Aber ein Kiosk war nicht zu sehen. Laut GPS hatte ich es gerade passiert. Ich hielt an und hörte jemanden in feinstem Englisch rufen „Guten Morgen, kann ich helfen? Wonach suchst Du?“. „Hier soll ein Kiosk oder kleines Geschäft sein“, entgegnete ich. „Ja, ist hier vorne“, war die Antwort daraufhin. Es war Freddy, wie er sich vorstellte. Ein Engländer, der vor vielen Jahren hier im Süden Spaniens im Nirgendwo gestrandet war. „Der Sohn vom Eigentümer ist zu Besuch“, fuhr er fort. „Die sind Hühner füttern, warte, ich sage Bescheid“. Ich ging in den Laden, um festzustellen, dass die Auswahl wirklich übersichtlich war. Kekse, etwas Gemüse und Obst, Wasser, Bier, Cola. Nach kurzer Wartezeit kam ein alter Mann in den Laden. Mit Händen und Füßen konnte ich mich verständigen, und hatte so weit alles, was ich mitnehmen wollte, auf dem Tresen versammelt. „Un momento“, sagte der Mann, und verschwand. Ich hörte einen Wortwechsel in Spanisch, ohne auch nur irgendetwas zu verstehen. Dann kam ein noch viel älterer Mann ins Lokal. Ich hatte mit dem Sohn bislang gesprochen, und zur Abrechnung kam der Chef. Er rechnete sorgfältig alles auf einem Zettel zusammen, rechnete nochmals nach, und ich zahlte. Irgendwie hatte das etwas. Keine Scannerkasse, kein electronic cash. Mittlerweile, nach 10 Tagen, war ich wohl hinreichend entschleunigt. Ich füllte meine Trinkflaschen auf, aß ein paar Kekse, und unterhielt mich noch mit Freddy etwas. „Man, you are living your dream“, sagte er zu mir. Und irgendwie hatte er recht. Er sei immer gerne gereist, und irgendwie jetzt hier in diesem Kaff seit Jahren. Ich glaube nicht, dass er einer geregelten Arbeit nachging, aber vielleicht liege ich auch komplett falsch und bin zu voreingenommen. „Was hindert Dich daran Deinen Traum zu leben und wieder zu reisen?“ fragte ich ihn. „Du brauchst kein Fahrrad dafür!“. Er überlegte und entgegnete „You don’t get what you want, you get what you need“. Ich bin nicht der größte Stones Fan, aber dieses Lied, und dessen Text, ist eines meiner Lieblingssongs. Woher wusste er das denn jetzt? Ich verabschiedete mich ihm alles Gute wünschend. Noch immer muss ich auch jetzt noch an ihn denken. Freddy, ich wünsche Dir alles Gute, auch wenn Du dies hier nie lesen wirst.

immer wieder ging es durch Viehherden hindurch

Jetzt wollte ich eigentlich nur noch ins Ziel und gab Gas. Mir kam entgegen, dass die Strecke auf den kommenden Kilometern auf Asphalt verlief. Es ging super gut voran. Nach 30 km, 16 km flach und schnell, 14 km wieder bergauf, zum Teil durch einen Korkeichenwald, ging es für beinahe den Rest der Strecke auf Schotter weiter. Etwa 40 km vor dem Ziel gab es ein Restaurant, wo ich meine Flaschen auffüllen konnte und mir noch eine abschließende Cola kaufte. Ich würde Tarifa am Nachmittag erreichen. Danach standen noch 170 km bis Malaga, von denen ich noch einen Teil am selbigen Tag hinter mich bringen wollte, auf dem Programm. Nach weiteren 20 Kilometern, am Almodovar Dam & Reservoir, wurde ich von heftigen Windböen erwischt. Es schob mich glatt von der Strecke. Der Seitenwind war wirklich unangenehm. Noch unangenehmer war, dass nach wenigen Kilometern sich die Strecke genau in den Wind wand. Aber jetzt war es nicht mehr weit. Schon seit ein paar Tagen monierte mein Leistungsmesser, dass die Batterie sich dem Ende zuneigen würde. Jetzt gab er seinen Geist auf. Noch schnell die Batterie gewechselt, kam ich mit nur 17 verbleibenden Kilometern wieder auf eine normale Straße. Kurz danach stand Andy ein weiteres Mal am Rand, dieses Mal mit dem Rad und Kamera. Wir fuhren bis kurz vor Tarifa zusammen.

Tatsächlich musste ich 5 Kilometer vor dem Ende noch einmal etwas Schnelles essen. Eine Handvoll Gummibärchen haben es gerichtet. Klar, dass man sich das eigentlich sparen kann, aber so manches ist Kopfsache. Um 15:08 Uhr war ich am Ziel. Andy machte Fotos, ich machte Fotos, alle machten Fotos. Nach ein paar Minuten verlagerten wir unser Gespräch in ein Standcafé, welches neben dem Ziel lag. Nach einem Kaffee verabschiedete ich mich von Andy, und fuhr Richtung Malaga los. Zunächst ging es bis Algeciras (Nachbarort von Gibraltar) Richtung Nordost über die Berge. Der Gegenwind war wieder da, und ich kam kaum den Berg hinauf. Oben gab es ein Restaurant, und ich gönnte mir ein letztes Bocadillo. Die Luft war raus, nicht aus den Reifen. Auf fast 1700 km kein einziger Plattfuß. Mein Kopf war leer. Die Beine waren so weit noch OK, aber ich begann mich zu fragen, wie weit ich noch Richtung Malaga fahren sollte. In Algeciras fuhr ich geradewegs zur Busstation. Der nächste Bus nach Malaga kam in 45 Minuten, und ich kaufte ein Ticket für 16 Euro. Fahrradtransport sei kein Problem, meinte die Frau hinter dem Schalter. Der Busfahrer sah es anders. Er wollte mich nicht mitnehmen, das entnahm ich jedenfalls seiner Artikulation und seinen zum Teil recht lauten Worten. Ich antwortete höflich aber bestimmt in Englisch, dass ich jetzt mein Vorderrad ausbauen würde und das Rad in das Gepäckfach, welches fast leer war, stellen würde. Irgendwann gab er auf, öffnete das Gepäckfach von der anderen Seite, und ich verstaute mein Rad. Vielleicht war ich ihm aber auch nur zu dreckig. Denn mittlerweile fast 48 Stunden ohne Dusche, schwitzend über staubige Straßen, sah ich staubgebräunt aus. Ich saß im Bus, erreiche Malaga gegen 23 Uhr abends, und erreichte das Airbnb meiner Frau und Tochter nur 15 Minuten später. Beinahe hätte es wieder die gleichen Diskussionen wie mit dem Busfahrer gegeben. So dreckig in das schöne Apartment? Das Badezimmer war direkt hinter der Eingangstür, das war meine Rettung…

Die nächsten Tage verbrachte ich mit dem weiblichen Teil meiner Familie in Malaga. Besichtigungen und Wanderungen standen auf dem Programm. Auch konnte man noch sehr gut ins Mittelmeer springen. Das Rad war schnell verpackt, und bis auf das übliche Chaos am Düsseldorfer Flughafen (der Flughafen mit der langsamsten Gepäckverarbeitung den ich kenne, und ich kenne aus beruflichen Gründen sehr viele Flughäfen) verlief die Rückreise problemlos. Na ja, der Mann auf dem Nebensitz meiner Frau musste sich andauernd übergeben. War wohl Flugangst, hofften wir. Am Ende war alles gut.

Résumé:

Beinahe 1700 km von den Pyrenäen bis zur südlichsten Spitze der Iberischen Halbinsel haben es in sich. Im Gegenzug wird man mit eindrucksvollen Landschaften und Eindrücken mehr als entlohnt. Man kann die drei unterschiedlichen Ultracycling Events, an denen ich teilgenommen habe, nicht miteinander vergleichen. Das „Swiss Bike Adventure, SBA“ bestach durch wunderschöne Landschaften auf premium Asphalt in einem Land mit mehr als Fahrradfahrer und Bikepacking freundlicher Infrastruktur. Dann das Transcontinental TCR09 mit seiner Länge, dem herausforderndem Reglement, den vielen verschiedenen Ländern und Kulturen, den vielen Höhenmetern, unmöglichen Parcours (für Rennräder). Als Drittes über Stock und Stein durch atemberaubende Landschaften durch Spanien bei der Iberica Traversa, (IT). Ich bin froh bei allen drei Veranstaltungen am Start gewesen zu sein, und alle für mich erfolgreich bestritten zu haben. Wer mit dem Gedanken liebäugelt, einmal mit Ultracycling zu beginnen, der sollte das SBA in Erwägung ziehen. Man darf sich auch mehr Zeit nehmen, als ich es getan habe. Wer es mag etwas einsamer durch wunderschöne Landschaften zu fahren, sollte sich beim IT anmelden (Gravel oder Road sind alternative dabei). Wer an seine Grenze gehen möchte, dem sei das TCR empfohlen. Weder das IT, noch das TCR sind dabei, meiner Meinung nach, für Anfänger im Langstreckenbereich geeignet. Wenn man aber eine neue Stufe erklimmen möchte, nur los. Last, but not least: Beim Iberica Traversa konnte ich weitere 1000 Euro für die Straßenkinder in Malabon sammeln. Allen Spendern sei hier noch einmal von ganzem Herzen gedankt. Ohne Euch wäre ich wahrscheinlich früher nach Málaga abgebogen, oder vielleicht gar nicht erst gestartet!

Gruß,

Bert