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Iberica Traversa Teil 1, von den Pyrenäen Richtung Süden

Fast auf den Tag genau 2 Monate nach dem Start des Transcontinental Race TCR 09 startete am Sonntag, dem 24.9., das Iberica Traversa. Auf Gravel und Single Trails von den Pyrenäen bis zum südlichsten Punkt des europäischen Kontinents. Von Irun im Baskenland, bis Tarifa in Andalusien, rund 1700 Kilometer.

Anreise

Für mich begann das Abenteuer bereits am Donnerstag. Ich hatte einen günstigen Flug erwischt, und trat mit einem großen Karton, der Fahrrad und alles Gepäck enthielt, sowie einer kleinen Tasche mit den Sachen für den Flug, die Reise nach Irun an. Richtig motiviert war ich nicht. Schon wieder so lange auf dem Rad sitzen? Auch gingen mir 1000 Sachen von meinem Job ständig durch den Kopf. Die letzten Wochen hatte ich kaum auf dem Rad gesessen, und ich hoffte, dass meine Motivation spätestens beim Start in drei Tagen wieder zurück sei.

Am Flughafen in Düsseldorf war der Check-in schnell vollzogen. Ich hatte noch einen Termin mit Ulrike Keferstein, die mich nach dem TCR09 als Flughafenfee überraschend in Empfang empfangen und interviewt hatte. Mehr dazu später hier im Blog in einem separaten Beitrag.

Der Flug verlief unspektakulär, und auch die Bus- und Zugfahrt von Bilbao bis Irun verlief problemlos. Nur der Fahrradkarton wurde mir auf Dauer zu schwer. Die knapp 900 m von der Bahnstation in Irun bis zum Hotel habe ich ihn mehr oder weniger gezogen, und ich wahr froh als ich im Zimmer angekommen war und ich das Rad noch am selben Abend zusammengebaut hatte. Der Freitag war ein fast normaler Arbeitstag. Nicht „working from home“ sondern „working from Hotel“. Draußen waren es 11 Grad Celsius und Schauerwetter. Meine Motivation, irgendwo im Kellergeschoss.

Der Tag vor dem Start

Samstagmorgen traf ich Michael Brandstoetter beim Frühstück, er hatte für die gleiche Strecke gemeldet. Nach dem gemeinsamen Frühstück entschloss ich mich eine kleine Runde zum Eingewöhnen, und um zu überprüfen, ob das Rad und alle Taschen richtig zusammengebaut waren, über den Jakzibel zu fahren. Der Berg, der bei der Baskenlandrundfahrt und der Classica San Sebastian, oft eine entscheidende Rolle gespielt hat. Auch spielte das Wetter endlich mit. Nur ein wenig Sprühregen oben auf dem Berg, und unten in Irun sogar wieder Sonnenschein. Hatte es die letzten beiden Tage eigentlich nur geregnet, erschien jetzt alles wesentlich besser. Als ich wieder am Hotel ankam, schob Michael sein Rad gerade durch das Foyer. Er wollte Richtung Meer, etwas essen. Ich drehte auf der Stelle um, und wir radelten zusammen bis in den Nachbarort ans Meer, um uns dort eine kleine Mahlzeit zu gönnen. Leider musste ich am Samstag in ein anderes Hotel umziehen, da für das Wochenende keine Zimmer mehr frei waren. Mein neues zu Hause für die Nacht zum Sonntag lag nur 100 m vom Start entfernt. Sollte ich meine GoPro wie beim SBA wieder vermissen, wäre der Rückweg zu, Hotel zumindest sehr kurz.

Die Registrierung für das Iberica Traversa am späten Nachmittag ging schnell. Neben der Race Cap gab es noch einen Verpflegungsbeutel und den wichtigen Tracker. Abends trafen sich einige der Teilnehmer noch zum Essen in einer nahegelegenen Bar. Es war super, die anderen Kollegen und Kolleginnen näher kennengelernt zu haben. Einige starteten auch erst am Montag bei der Straßenversion. Gegen zehn Uhr machte ich mich auf den Weg zurück zu meinem Hotel und versuchte noch möglichst viel Schlaf zu bekommen.

Race Day (24.09.)

Am Sonntag klingelte der Wecker früh. Ein kurzes und gutes Frühstück im Hotel, wo ich auch Holly Seear und Steve Davidson traf. Sie starteten als eines der wenigen Paare beim Iberica Traversa. Am Start wurden die obligatorischen Fotos gemacht, und pünktlich um 8 Uhr ging es los. Es waren lediglich 11 Grad Celsius, und zum Teil waren die Flusstäler in den Pyrenäen noch nebelverhangen. Alle Teilnehmer ließen es recht locker angehen. Zumindest bis es nach rund 45 Kilometern den ersten richtigen Berg hinauf ging auf Teer hinauf, ich war froh, dass ich ein 40er-Ritzel montiert hatte. Dann ging es auf Single Trails wieder bergab, wo mich die Mountainbiker spielend überholten. Der Untergrund war sehr rutschig und matschig, und ich hatte keine Lust, auch nur irgendetwas zu riskieren. Bis Pamplona, dem ersten Kontrollpunkt, waren es rund 90 Kilometer vom Start. Ich kam gut voran, auch wenn meine Motivation und meine Beine nicht wirklich gut waren. Den Kontrollpunkt erreichte ich als Dritter um 14:12 Uhr (das Leaderboard (externer Link) ist für CP1 leider nicht korrekt). Elvis Forabosco Davide Busoli hatten mich auf dem Single Trail vorher überholt. Zum Teil war die Strecke auch für mich nicht fahrbar. Es war lehmig, matschig und rutschig. Mit meinen Reifen keine Chance. Durch Pamplona ging es am Sonntagnachmittag, und ganz Spanien war auf den Beinen.

Eine imposante Stadt, aber ich versuchte möglichst wenig Zeit zu verlieren, um noch bis zum Bardenas Reales Nationalpark zu gelangen. Nach einem schnellen Einkauf ging es weiter. Das gestaltete sich aber schwieriger als gedacht. Motivation im Keller, Beine wie Pudding, und ich konnte mich mit den Gravel Pisten irgendwie nicht anfreunden. „Warum hast Du nicht auf die Straßenversion gewechselt?“, fragte ich mich immer wieder, und bekam keine Antwort. Der Weg, den es am nächsten Berg hinaufging, war nach Unwettern ausgewaschen. Er war unfahrbar, und das tat meiner Motivation den letzten Abbruch. Am liebsten hätte ich alles hingeschmissen. Hinunter auf einem Singletrail auf Gras wurde es langsam besser. Am späten Nachmittag ging es über weitere Gravel strecken steile Anstiege hinauf bis zu einem Hochplateau. Der Ausblick dort entschädigte für die Anstrengungen des Tages, und zum ersten Mal konnte ich dem ganzen etwas Positives abringen. Andy Buchs, Veranstalter des IT, empfing uns Fahrer Open mit seiner Drohne und machte Aufnahmen von uns. Es wurde langsam dunkel. Trotz meines Plans und Versprechens im Dunkeln nicht über Gravelstrecken zu fahren (die Erfahrungen von Transcontinental Race waren in dieser Hinsicht nicht gut) fuhr ich über just diese weiter. Ich wollte die erste Nacht in einem Hotel mit Dusche verbringen und nicht mit den vielen Mücken mein Bett teilen.

In Uxue gab es einen Trinkwasserbrunnen im Dorf, den ich nach etwas suchen, auch fand. Weiter ging es auf einer bergab Gravelstrecke Richtung Carcastillo. Es folgte es ein kleines Stück auf Asphalt, und ich buchte mir im nächstgelegenen Ort, Murillo el Fruto, ein Zimmer. Dieses erreichte ich kurz vor 22 Uhr. Auch Davide Busoli hatte sich hier einquartiert und wir aßen zusammen zu Abend, bevor ich mit 178 km in den Beinen einschlief.

Police Academy (25.09.)

Am Morgen des zweiten Tages ging es in den Bardenas Reales Park. Vor acht Uhr war die Einfahrt verboten, also frühstückte ich erst einmal gemütlich in einem Café in Carcastillo. Um 08:15 Uhr erreichte ich den Nationalpark. Davide war ungefähr 15–20 Minuten voraus, während ich von einer großen Herde Schafe aufgehalten wurde. Elvis holte mich ein, und wir passierten die Schafe letztendlich, um zum zweiten Kontrollpunkt zu gelangen. Morten Kjærsgaard hatte sich zu uns gesellt und erreichte noch vor Elvis und mir den Kontrollpunkt. Nach dem Kontrollpunkt ging es auf der Gravel Strecke weiter, jedenfalls bis eine Polizeistreife und die Militärpolizei uns die Weiterfahrt verweigerte. Elvis diskutierte mit den Ordnungshütern, und die machten letzten Endes klar, dass wir auf der Querstraße bis zur Hauptstraße fahren müssen, und nicht, wie eigentlich laut Reglement erforderlich, schnellstmöglich wieder auf die ursprüngliche Strecke zu gelangen.

Davide hat dies dennoch gemacht, und sich über einige Berge wieder auf die ursprüngliche Strecke gequält. Elvis und ich fuhren wie angewiesen auf der Straße weiter, und nach ein paar Kilometern überholten wir dort auch Morten. Wir erreichten nach 30 Kilometern wieder die ursprüngliche Strecke. Davide kämpfte sich derzeit weiter durch das Gelände. Andy Buchs rief mich an, und nachdem die Situation erklärt war, wurde entscheiden, dass wir auf Davide warten, und ihm danach noch 20 Minuten Vorsprung mit auf dem Weg geben sollten. Elvis und ich durchfuhren auf der Suche nach einem Lokal und einem Supermarkt eine Stierkampfarena, und verbrachten den Rest der Wartezeit im Schatten in einem Park. Morten wartete ein paar Kilometer weiter unter einem Baum. Nachdem Davide wieder den entsprechenden Vorsprung hatte, setzten wir die Fahrt fort. Morten ließ uns ein paar Minuten Vorsprung, und die Reihenfolge war auf dem Leaderboard wieder ok. Im Laufe der nächsten Stunde holten wir Davide ein. Elvis legte ein beachtliches Tempo an den Tag. Ich holte ihn noch einmal ein, als er einen Plattfuß hatte. Aber schon bald darf zog er wieder vorne weg. Die Strecke schleppte sich weiter bergauf und bergab. Es war fast dunkel, also ich in Gotor die Entscheidung traf, den nächsten Berg noch zu erklimmen. Es war klar, dass ich diesen Berg hinauf mehr schieben als fahren musste. Elvis war ein paar Kilometer voraus, in Davide ein oder zwei Kilometer hinter mir. So kämpften wir uns alle drei, mal fahrend, mal gehend nach oben. Die Abfahrt war erstaunlich gut zu fahren, und auch teilweise geteert.

In Aninon versuchte ich im Internet ein Zimmer zu buchen, aber es war nichts mehr frei. Ich fuhr bis zur Kirche des Dorfes. Vielleicht gab es ja hier eine gute Möglichkeit zu übernachten. Gerade als ich noch ein paar Meter weiter radeln wollte, hörte ich meinen Namen und Elvis lief mir nach. „Hast du Lust, mit mir ein Zimmer zu teilen?“ Fragte er. Er hatte noch ein Apartment für zwei ergattert und froh, dass ich selbstverständlich sein Angebot annahm. Ich hatte eine Dusche, und wir konnten uns die Kosten teilen. Im Hotel war bereits Irena angekommen. Sie war schon vor 8 Uhr in den Nationalpark gefahren, wurde nicht von der Polizei aufgehalten, und musste auch keine 3 1/2 Stunden warten. Davide gesellte sich danach noch zu uns. Er hatte online das letzte Zimmer schon früher ergattert. Mit Elvis und Davide zusammen ging es nach einer Dusche zum Abendessen. Die Wirtin machte uns noch um Mitternacht, es war recht spät geworden, eine leckere Mahlzeit à la carte.

Wilder Westen inklusive? (26.09.):

Irena war bereits unterwegs, als sich Elvis und ich gegen 6 Uhr aus unseren Betten quälten. Es ging über Stock und Stein weiter. Nach Sonnenaufgang stand der erste längere Anstieg des Tages auf dem Programm. Gegen 08:30 Uhr bin ich oben angekommen. Elvis hatte im Dorf vorher haltgemacht und gefrühstückt, was ich im nächsten Dorf definitiv nachholen wollte. Schon kurz nach dem höchsten Punkt erreichte ich eine bizarre Landschaft. „Bin ich hier am Grand Canyon?“, schoss es mir durch den Kopf. Eine Landschaft, die mich wirklich an Arizona, wo ich 2018 mit meinem ältesten Sohn einen Roadtrip gemacht hatte, erinnerte. Und das in Spanien?

Nicht alles war für mich fahrbar. Auch glaube ich nicht, dass die Mountainbiker alles fahren konnten. Mir war es schlicht zu gefährlich. Die Landschaft war faszinierend, und ich bedauerte schon fast nach einer knappen Stunde wieder normale Pisten unter meinen Pneus zu haben. Die Hälfte meines Wishbones (Flaschenhalter hinter dem Sattel) verabschiedete sich, und ich baute den Flaschenhalter um an die Gabel. Gut, wenn man viele Möglichkeiten zur Befestigung am Rad hat. Nach einigen Kilometern erreichte ich gegen 10:00 Uhr Ateca, und ich gönnte mir ein Frühstück mit Kaffee, und kaufte Verpflegung für den Rest des Tages ein. Langsam wurde es warm, nein eher heiß. Die Straße zog sich unentwegt aufwärts bis zu einem Stausee bei Carenas. Etwas später ging es durch den Canyon del Rio Mesa (Schnecken Fluss Canyon). Wieder eine Landschaft, die mich an die USA erinnerte. Dieses Mal aber an den Zion Nationalpark. Es war traumhaft schön, auch wenn ich einige Passagen auf reinem Sand verflucht habe. Am Ende des Tals genehmigte ich mir in Algar de Mesa ein Boccadio con Jamon und eine Cola. Bis zum nächsten Kontrollpunkt war es noch ein Stück, vor allem ging es als Erstes wieder über einen Berg.

Es ging steil bergauf, und gegen 15:30 Uhr hatte ich, während ich mein Rad den Berg hinauf schob, noch eine kurze Telefonkonferenz. Der wahrscheinlich momentan beste Arbeitsplatz der Welt, dachte ich. Später, gegen 17:25 Uhr erreichte ich den dritten Kontrollpunkt, Molina de Aragon. Ich kaufte für den Abend und den nächsten Morgen ein, genehmigte mir einen Liter Orangensaft und etwas zu essen, bevor ich noch beim lokalen Fahrradgeschäft vorbeischaute, um zwei Flaschenhalter zu kaufen. Denn mittlerweile war auch der Flaschenhalter, den ich ummontiert hatte durch das ganze Schütteln und Rütteln über Stock und Stein gebrochen. Die Flaschenhalter montierte ich rasch und machte mit gegen 18:30 Uhr auf die Weiterfahrt. Es ging über eine Straße, von der es nach rund 10 Kilometern auf Schotter abging. Es wurde dunkel. Für die nächsten Kilometer, genauer gesagt 136 Kilometer nach Aragon, sollte es keine Übernachtungs- oder Einkaufsmöglichkeit mehr geben. Auch gab es zumeist kein Netzwerk. Ich fuhr weiter, bis ich ein Chalet erreichte. Dort gab es aber nur große Apartments für 4–6 Personen für entsprechendes Entgelt.

Zirka 4 Kilometer vorher war ich an einem ehemaligen Refugio vorbeigefahren. Zwar war es eigentlich nur noch eine Ruine, aber ich fuhr zurück, um die Nacht dort zumindest windgeschützt verbringen zu können. Es war gegen 23:30 Uhr, als ich mein Biwak bezog. War es eine gute Entscheidung gewesen, abends diese lange Strecke von mehr als 130 Kilometern anzugehen?

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