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Die Hölle hat keine Strassen

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  • Beitrags-Kategorie:2023 / TCR09

Die Pause war länger als zunächst geplant, aber ich brauchte ein wenig Erholung, vor allem mein Knie. Dieses hatte sich nach der Unterbrechung jetzt erholt und ich ging mit frischem Mut die Herausforderung der dritten Parcours an. Schon der Weg bis zum Start des Parcours war heftig, steil stieg die Straße bergauf. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass auch der Parcours solche Steigungen aufweisen könne. Auf dem asphaltierten Stück zum Start der Strecke wurde ich von einer Fotografin im Auto medial begleitet. Sie fand meinen Rucksack wohl spannend. Immer wieder machte sie Fotos aus dem Fahrzeug heraus, fuhr vor, um am Rand stehend Fotos zu machen, kletterte dazu auf Mauern etc. Zugegeben, die Szenerie mit der langsam untergehenden Sonne war fabelhaft. Leider habe ich keine Ahnung, wer es war, und wo die Fotos gelandet sind. Vielleicht bekomme ich irgendwie heraus, wer die Fotografin war. Es waren bestimmt ein paar tolle Bilder dabei.

Gegen 19:30 Uhr erreichte ich den Startpunkt des Parcours. Dieser war ein reiner Gravel Parcours, und über 40 km lang. Erst rund 1000 Höhenmeter bergauf, und danach 1100 Höhenmeter mit ein paar kleinen Unterbrechungen und Gegensteigungen hinab. Schon hier musste ich schlucken. Das sah heftig aus. Steil, mal steinig, mal sandig, schwer zu fahren mit einem beladenen Rad. Die Sonne stand jetzt nur noch knapp über dem Horizont. Solange es hell war, kam ich größtenteils Rad fahrend weiter voran. Als dann die Dunkelheit einsetzte, wurde zeitgleich auch die Beschaffenheit der Strecke merklich schlechter, und zu einem Großteil unbefahrbar. Nicht nur für mich, auch für die meisten anderen Teilnehmer. Die ersten 10 km hatten es in sich. Gerne hätte ich eine andere Übersetzung mit noch ein paar Zähnen mehr als größten Zahnkranz zur Verfügung gehabt. Oft musste ich längere Stücke schieben. Einmal stehend, war ein anfahren größtenteils wegen der Steigung und Beschaffenheit der Strecke nicht mehr möglich. Ich war froh, als es endlich wieder bergab ging. Aber richtig glatt, lief es dann auch nicht. Wir waren mehrere Teilnehmer, die Nachts noch den Parcours absolvieren wollten. Und alle „schlichen“ gleichermaßen durch die Dunkelheit. Einige entschlossen sich unweit der Strecke zu übernachten. Man sah die entsprechenden „Dots“ auf dem Livetracker. Ich wollte aber keinesfalls mitten auf dem Gravel Parcours kampieren. Leider hat es mich auf den Abfahrten (trotz moderater und vorsichtiger Fahrt) zwei oder dreimal zu Boden gestreckt. Meist ging das Vorderrad auf den Steinen einfach weg, und platsch. Zum Glück alles glimpflich, denn bei den zum Teil großen Steinen hätte man auch bei niedriger Geschwindigkeit sich etwas zuziehen können. Wie man im Replay auf www.followmychallenge.com sehen kann, war ich nicht so langsam unterwegs, wie ich es während des Parcours Stücks selber annahm. Nachdem es noch eine Begegnung mit Hunden bei einer Farm gegeben hatte, erreichte ich das Ende der Gravelstrecke gegen 0:40 Uhr am Donnerstag, dem 3. August. Gegen 21:00 hatte ich von unterwegs ein Hotel in Peshkopi gebucht, mit der Anmerkung, es könne spät werden. Mitternacht war da noch mein Ziel. Ok, noch etwas über 10 km Straße, also würde es vielleicht 1 Uhr morgens werden. Irgendwie hatte ich im Kopf, es ginge nach Ende des Parcours nur noch bergab, aber es war genau andersherum. Steil bergauf, zwar auf Asphalt ähnlichen Wegen, aber mit zum Teil zweistelligen Steigungsprozenten. Irgendwie funktionierte meine Schaltung nicht mehr 100-prozentig. Vielleicht war etwas verbogen, oder das Schaltauge defekt? Würde ich mit im Hellen ansehen. Erst einmal weiter. Noch während ich mich bergauf quälte, machte es bei einem Schaltvorgang dann das typische Geräusch, wenn der Schaltzug des Schaltwerks reißt. Herrlich, wenn man mitten in der Nacht nur noch den schwersten Gang zur Verfügung hat. Es war beinahe 2 Uhr morgens, als ich in die Straße, in der das Hotel lag, einbog. Ein letzter Berg, vielleicht 6%, und dann wieder 3 Hunde hinter mir. Keine Ahnung wo ich da noch die Power hergeholt habe diesen letzten Hügel mit Vollgas hochzufahren. Am Hotel angekommen, stellte ich fest, dass alles dunkel war, und die Rezeption natürlich nicht mehr besetzt. Ein Blick auf das Telefon zeigte 3 verpasste Anrufe des Hotels zwischen Mitternacht und halb eins. Ich rief die Nummer an, und nach längerem Klingeln erklang eine nicht sonderlich amüsierte Stimme. Ich entschuldigte mich, und erklärte mein Problem. „Ich bin in 5 Minuten da“ erklärte man mir. Nach knapp 15 Minuten war es dann auch so weit. Weitere 15 Minuten dauerte es, dem lieben Mann klarzumachen, dass das Rad mit auf mein Zimmer muss, egal ob dritte Etage ohne Aufzug.

Irgendwann gab er auf, ich bekam ein frisch renoviertes Zimmer auf der ersten Etage. Aber nur wenn er mitkommen könne, um sicher zu sein, dass ich mein Rad nicht gegen die frisch gestrichenen Wände stellen würde. Nachdem er mein Zimmer wieder verlassen hatte, ging es erst einmal unter die Dusche, und dann ins Bett. Mit einem frühen Start am Morgen würde es nichts mehr werden, denn bevor es losging, wartete ja noch ein defekter Schaltzug auf mich.

Der Wecker klingelte um 6 Uhr. Immerhin 3 Stunden geschlafen. Schnell etwas Essen hineinstopft, viel war nicht übrig, machte ich mich daran, den Schaltzug zu wechseln. Müde wie ich war, dauerte es rund 20 Minuten ehe ich alles repariert hatte, keine Rekordzeit, aber startklar, zumindest was das Rad anging. Nachdem ich die Sachen verstaut hatte, trug ich das Rad vorsichtig die Treppe hinunter und verließ das Hotel. Den Schlüssel gab ich, wie mir der Portier in der Nacht gesagt hatte, beim Café nebenan ab. Darauf traf ich am Hotelausgang einen französischen Teilnehmer. Er fluchte über das Gravelstück. Er habe die Nase voll, es käme ja noch mehr Gravel, und mache diesen Blödsinn nicht weiter mit. Meine Versuche ihn umzustimmen waren nicht erfolgreich. Noch während wir redeten, schaltete er seinen Tracker aus uns sagte, er führe jetzt geradewegs auf Straßen nach Thessaloniki. Ich fuhr dagegen erst einmal in den nächsten Supermarkt zum „auftanken“.

Die Stecke hinter Peshkopi ging immer wieder steil bergauf und bergab. Hier war gar nichts auch nur irgendwie flach. Es war der Abschnitt des Rennens, auf dem der vormalig Drittplatzierte, Marin de Saint-Exupery, entkräftet aufgegeben hatte. Ich konnte es irgendwie nachvollziehen. Doch schon wenige Kilometer weiter erreichte ich Nordmazedonien, und meine Laune steigerte sich zunehmend. Aber ich war müde. Es war doch wenig Schlaf in den letzten Tagen gewesen, und es wurde mit jedem Kilometer Richtung Süden wärmer und wärmer. Ein erster Powernap schon vor Mittag war dringend erforderlich. Danach lief es schon merklich besser, an Gewässern vorbei, und endlich auch einmal im Schatten durch Wälder. Aber schon bald war der Wald passé, und die Sonne brannte unerbittlich. Vor der Grenze zurück nach Albanien ging es auf neu asphaltierter Straße einmal wieder steil bergauf. In praller Sonne, heißer Teer, viel Verkehr. Ich beschloss mich erst einmal im Schatten niederzulassen und Pause zu machen. Etwas erholt nahm ich diese gerade und steile Straße zum Grenzübergang in Angriff, und war froh über den Berg zu sein. Danach gab es eine Abfahrt auf, man kann es kaum glauben, perfekt geteerter Straße. Bis Pogradec konnte man es gut laufen lassen. Gerne hätte ich mich bei den hohen Temperaturen zu all den Badenden im Ohrit See gesellt, aber keine Zeit (und keine Badehose). In Pogradec war es wieder Zeit für ein Eis, Wasser und etwas Herzhaftes. Ich begann mir Gedanken zu machen, ob ich Griechenland noch am selben Tag erreichen könnte.

Der Grenzübergang auf meiner Strecke war zwischen 20 Uhr abends und 8 Uhr morgens geschlossen. Vor 20 Uhr dort zu sein, war ausgeschlossen. Eine Umfahrung war möglich, aber viel weiter und zu kompliziert zu planen, da dort auch eine vom Veranstalter gesperrte Straße lag. Schlimmstenfalls müsste ich eben eine längere Pause machen. Dem war ich gar nicht so negativ gegenüber eingestellt. Es ging weiter Richtung Korce, dem letzten größeren Ort in Albanien. Ich erreichte Korce am späten Nachmittag, bzw. frühen Abend. Vor einem großen Supermarkt saß eine Teilnehmerin, sichtlich mitgenommen. Sie erzählte mir, wie es ihr auf der Straße Richtung Grenzübergang ergangen war. „Ich war so müde, dass ich von rechts nach links über die gesamte Straßenbreite gefahren bin, dann links gegen die Leitplanke und quer über die Straße zurück. Auf der rechten Seite bin ich dann über die Leitplanke in den Graben gefallen“, erzählte sie. Ich gab zum Besten, dass wir hier nur zum Spaß unterwegs seien, nur gegen uns selber kämpfen, und die Gesundheit und Sicherheit an erster Stelle stünden. Sie war jung, sicher keine 30, und ich konnte meine väterlichen Ratschläge nicht bei mir halten. Sie hat meine Predigt ertragen, fuhr in ein Hotel, und hat das Rennen am nachfolgenden Tag wegen Hitzschlag beendet. Ich fuhr gestärkt weiter, und schon kurz nach der Stadt musste ich das Licht einschalten. Je weiter es Richtung Südost ging, desto früher trat die Dämmerung ein. Ich kalkulierte, wie weit ich noch fahren könnte und buchte mir ein Hotel in Leskovik. Die Straße führte durch ein Gebirge (was sonst). Nach den ersten Kilometern auf einer breiten und durchaus gut geteerten Straße, ging es links ab und die folgenden Kilometer mittels Serpentinen hinauf und hinab. Alles auf einer Straße, die schlechter war als das Stück Schotter in Slovenien kurz nach dem zweiten Kontrollpunkt. Man konnte bergab nur langsam fahren. Schlaglöcher, so groß, dass man einen Elefanten darin ohne Probleme verstecken könnte. Irgendwann war klar, dass ich es nicht mehr bis Leskovik schaffen würde. Ich stornierte das Hotel und fuhr zunächst weiter. Gegen 23:00 Uhr buchte ich ein Hotel, welches ich in der nächsten Stunde trotz desolater Straße erreichen sollte, was ich auch tat. Dort angekommen, die übliche Prozedur. Elektronik ans Ladegerät, Duschen, Essen, kurz etwas posten, Wecker stellen und Schlafen.

Es war schon fünf als ich aus dem Bett kam, immerhin 4 Stunden Schlaf. Nach einem schnellen Frühstück ging es auf der schlechten Straße weiter. Erst nach und nach besserte sich die Straße und es ging alle Höhenmeter der letzten Stunden wieder hinunter. Gegen 7:30 Uhr passierte ich das lang herbeigesehnte Schild, welches die Abzweigung zum Grenzübergang anzeigte. Der war noch geschlossen, aber schon voll besetzt. Wir waren drei Teilnehmer an der Grenze, wurden um viertel vor acht abgefertigt, und bevor wir uns auf in das Niemandsland Richtung griechischem Zoll aufmachten und den Grenzfluss überquerten, nutzten wir noch die Örtlichkeiten der Grenzstation. PKW und LKW mussten noch etwas warten. Am griechischen Zoll ging es zügig weiter, aber auch wieder stetig bergauf. Flüsse sind natürliche Grenzen, aber leider selten auf einem Berg.

Die Strecke bis zum ersten der drei Parcours rum um Kontrollpunkt 4 war anspruchsvoll. Viele Höhenmeter, und unerträglich heiß. Andererseits gab es herrliche Ausblicke und ich sah Landschaften, an die ich mich noch lange zurücksehnen und erinnern werde. Zwei heftige Anstiege vor dem Parcours 4a in praller Sonnen verlangten mir alles ab. Ich war froh, als es oben einen Brunnen gab. Um das Wasser musste ich mich mit Bienen „herumschlagen“. Die waren auch froh, etwas Flüssiges zu finden. Da meine Frau und ich selber Bienen haben, ging es entspannt und harmonisch ab. Kein Grund zur Panik.

Bedauerlicherweise schmeckte das Wasser nach Chlor. Vielleicht gut der Keime wegen, aber geschmacklich bedauerlicherweise nicht. Ich nutzte es mehr zur äußerlichen Kühlung. Und nur wenige Kilometer weiter fand ich einen weiteren Brunnen, dessen Wasser frisch schmeckte. Es ging bis zum Parcours noch einmal den Berg herunter, und an der anderen Seite wieder hinauf. Am Start habe ich zunächst eingekauft. Eis, Chips, Müsliriegel. Dann lagen da noch Fritt Kaubonbons mitten in Griechenland. Eine Packung „Orange“ musste in den Rucksack. Jetzt war eine Entscheidung fällig. Entweder nach dem Parcours den selbigen wieder zurück, ca. 60 km durch die Berge auf Asphalt fahren, um dann den nächsten Parcours in entgegengesetzter Richtung zunächst hinauf fahren, um diesen dann wieder in der vorgegebenen Richtung herunterzufahren. Oder alternativ ungefähr 20 km quer über den Berg fahren und laufen. Ich entschied mich für letzteres. War es die bessere Entscheidung? Trotz allem, was dann noch kam, glaube ich rückblickend, dass es die bessere war. Ich fuhr auf den kurzen Parcours, und an dessen Ende ging es weiter in den Berg hinein. Das erste Stück war extrem steil, ich schob. Danach konnte man auf eine Mischung von Teer und Schotter weiter fahren. Wieder startete die Dämmerung. Mein Timing mit Schotter war nicht wirklich gut. Ein Hund kläffte mich an, aber der war ängstlicher als ich. Von hinten näherte sich ein französischer Teilnehmer, der eindeutig schneller bergauf vorankam. Als er mich passierte, sah ich, dass er eine geeignetere Übersetzung und auch reinrassige Gravelreifen montiert hatte. Er zog voraus.

Es war mittlerweile dunkel, und ich sah sein Rücklicht noch blinken, als plötzlich mehrere große Hunde hinter mir her waren. Ziemlich große Jungs. Eigentlich ist es am besten, dann zu stoppen, das Rad zwischen sich und die Hunde zu bringen, und langsam weiterzugehen. Normalerweise verlieren die Hunde dann irgendwann das Interesse. Aber das ist Theorie. Ich sprang auf mein Rad, fuhr wie vom Teufel geritten, und holte den Franzosen wieder ein. Die Hunde kehrten um, und ich machte mich wieder daran, mein Rad zu schieben.

20 km fahren und gehen. Zwar nur 1800m hoch, aber steiler als es auf dem Bild aussieht. Man kann die Serpentinen rechts im Bild erkennen.

Der Weg wurde immer schmaler, und es gab viele Serpentinen auf diesem Trail. Zunächst bergauf, vom Ende des Parcours bis zum höchsten Punkt auf dem Berg insgesamt etwa 1000 Höhenmeter (also im Durchschnitt ca. 10 %). Ich war erleichtert, als ich den Scheitelpunkt erreicht hatte, jetzt ging es auf dem schmale Trail wieder bergab. Später konnte man ach wieder etwas auf dem Rad rollen. Es lief immer besser. Ich wurde immer schneller und letzten Endes auch leichtsinniger. Als ich merkte, dass ich zu schnell unterwegs war, war es auch schon zu spät. Ein heftiger Salto bergab, und ich blieb erst einmal auf dem Rücken liegen. Ich hatte eine tiefe Spalte zu spät gesehen.

Es schien nichts gebrochen oder größer in Mitleidenschaft gezogen zu sein, aber ich schaute mir die vielen Sterne (Streulicht gab es hier nicht) erst einmal in Ruhe an. Irgendwann bin ich dann wieder aufgestanden, habe das Rad kontrolliert. Eine Trinkflasche fehlte. Schwarze Flasche in schwarzer Nacht. Die Suche war erfolglos. Es war bereits der vierte Abflug des Tages, und ich war sauer auf mich. „Du eierst hier herum wie die letzte C-Wanze“ erklang es durch die Nacht. Lizenz-Rennfahrer unter Euch wissen, was gemeint ist. Danach fuhr ich vorsichtiger weiter. Irgendwann kam dann der Ort, an dem der Parcours 4b startete. Einige Griechen feierten noch zu später Stunde, es war bereits 1 Uhr morgens.

Man fragte mich, ob ich ein Zimmer bräuchte, aber ich verneinte. Es wurde langsam knapp. Noch den 4b Parcours, etwas Schlaf und weitere 100 km bis zu Kontrollpunkt 4. Dieser war lediglich bis 13:00 Uhr am selbigen Tag noch geöffnet. Ich fuhr noch den Parcours und an dessen Ende setzte ich mich an den Straßenrand, völlig erschöpft, müde, und nur noch eine Packung Fritt Orange im Rucksack. Die gab es als Abendessen. Geschlafen habe ich unweit der Kreuzung, ich glaube, es war ein Trafohäuschen oder so etwas Ähnliches, dessen Sockel mir eine ebene Grundfläche bot. Es war 2:30 Uhr, bevor ich mich hinlegen konnte.

Den Wecker hatte ich auf 4:30 Uhr gestellt, etwas erbarmungslos. Noch rund 100 km bis zum Kontrollpunkt. Ich bemerkte, dass ich bei einem der Stürze meine Werkzeugtasche verloren hatte. Ein ungutes Gefühl. Zu oft musste ich in den letzten Tagen feststellen, dass die Anstiege und Straßen es mir beinahe unmöglich machten, vernünftig abschätzen zu können, wie lange i für eine bestimmte Strecke brauchen würde. Müde wie ich war, funktionierte in meinem Kopf sowieso gerade nichts mehr. Dreisatz war unmöglich. Aber alles Jammern half nichts, ich musste weiter. Zunächst ohne Frühstück durch Tunnel, und leicht bergauf. Noch eine Hügelkette galt es zu überqueren. Auf halber Strecke bergauf überholte mich ein anderer Teilnehmer. Es fühlte sich an, als stünde ich wie ein Eimer in der Gegend herum. Kurz darauf erschien ein weiteres Licht hinter mir. „Du nicht“, sagte ich zu mir, und erhöhte das Tempo leicht (viel war auch nicht mehr in den Beinen). Es reichte. Das Licht verschwand wieder. Langsam wurde es mit dem Hunger unangenehm. Noch hatte ich zwar keinen Hungerast, aber wenn ich nicht bald etwas Essbares finden würde, wäre es so weit. Hat mal erst einmal einen Hungerast, kann es Stunden dauern, bis man wieder wirklich zu Kräften kommt. Kurz nach dem letzten Berg kam ich gegen 7 Uhr in ein kleines Bergdorf mit einem Laden. Das Licht war aus, die Türe offen, und vor dem Laden schnippelte eine ältere Dame Gemüse. Ich hielt an und hoffte hier etwas Brot finden zu können. Das war auch so. Ich kaufte einen, nicht mehr ganz frischen, Kranz mit 8 Brötchen, eine Packung Käse in Scheiben, Kekse, Riegel und Wasser. Die Brötchen und den Käse habe ich vor dem Laden direkt gegessen. Die Besitzerin schnippelte derweil an ihrem Gemüse weiter.

Endlich wieder etwas Energie im Körper ging es die Abfahrt herunter Richtung Trikala. Kurz überlegte ich, ob ich bis Trikala fahren soll, dort würde es sicher ein Radgeschäft geben, um mein verlorenes Werkzeug und Ersatzmaterial wieder beschaffen zu können. Aber ich verwarf den Gedanken direkt wieder. Der Kontrollpunkt hatte Priorität. Also bog ich wie geplant kurz vor Trikala ab Richtung Kalambaka, wo sich der letzte Kontrollpunkt vor dem Ziel in Thessaloniki befand. Es wurde schnell wieder heiß, und Schatten war auf dem Flachstück (ich wiederhole: Flachstück) nicht vorhanden. Ich kam gut voran, wenn auch müde, und erreichte den Kontrollpunkt noch vor halb elf Uhr lokaler Zeit. Insgesamt war ich jetzt 12 Tage und 11 1/2 Stunden unterwegs.