Als mich am 21. Oktober eine E-Mail von Paul Thelen mit Informationen rund um die vWTTC (virtual World Time Trail Championships) erreichte, befand ich mich gerade in einem Kurzurlaub in der Eifel. Und eigentlich war der Plan mein Rad erst einmal ein paar Wochen nicht mehr anzufassen.
2020 war ein anstrengendes Jahr. Nicht nur wegen Lockdown, Kontaktbeschränkungen, Quarantäne über Ostern und dem ganz normalen Corona Wahnsinn, sondern auch weil es eine für mich sehr lange sportliche Saison war. Im Winter zunächst die Vorbereitung auf die Radrennen in Belgien, die letzten Endes alle abgesagt wurden, oder an denen man nur als belgischer Staatsbürger teilnehmen durfte. Danach die Vorbereitung auf die Fahrt von Aachen nach Görlitz. Im direkten Anschluss daran gab es unerwartet doch die Möglichkeit in den Niederlanden, auf der Radrennbahn in Geleen, eine ganze Reihe von Trainingsrennen zu bestreiten. Im September waren das zum Teil drei Rennen pro Woche, und nach einem abschließenden Zeitfahren Anfang Oktober war mein Akku endgültig leer. So war mein Plan ab Mitte Oktober bis Anfang Dezember das Rad nicht mehr aus dem Keller herauszuholen.
Da wir unsere Teilnahme mit einer Spendenaktion verknüpfen wollten, wurden schnell Pläne geschmiedet das Ganze im Internet, entweder über Liveblog oder Livestream, zu verbreiten. Ich beschäftige mich damit, die technischen Voraussetzungen zu klären und die entsprechende Technik zu organisieren, während Paul unsere Idee mit dem zuständigen Gesundheitsamt abklärte. Der eigentliche Plan war, auf Pauls großer, überdachter, Terrasse gemeinsam mit dem nötigen Abstand, an der Weltmeisterschaft teilzunehmen. Der offizielle Test des Equipments seitens des Veranstalters war für Ende November, eine Woche vor der Veranstaltung am 6. Dezember, terminiert. Ein paar Tage vorher erhielten wir vom Veranstalter die Information, dass aufgrund technischer Probleme die komplette Veranstaltung auf den 16. und 17. Januar 2021 verschoben wird. Wir haben dann einen Tag vor Nikolaus, am Samstag, dem 5. Dezember, selber einen Testlauf durchgeführt. D. h. wir haben alle drei Rennräder samt Smart Trainer, Laptops, iPads, Smartphones und den erforderlichen Routern und mehrere Kabeltrommeln aufgebaut, und sind gemeinsam ein paar Kilometer virtuell durch die Wüste geradelt. Der Test verlief gut, nur bei Rolands Laptop gab es noch kleine Probleme. Aber bis zur Veranstaltung Mitte Januar war ja jetzt noch genug Zeit das in Ordnung zu bringen. Auch ein Probe-Livestream funktionierte während unseres Tests reibungslos.
Anfang Januar haben wir uns aufgrund der aktuellen Coronasituation dazu entschlossen, nicht gemeinsam auf Pauls Terrasse, sondern jeweils in den eigenen vier Wänden, am Rennen teilzunehmen. Wir wollten damit auch unserer Vorbildfunktion als Sportler gerecht werden. Das Livestreaming könnte daher lediglich aus meinem Sportraum erfolgen. Die Entscheidung nicht von 6:00 Uhr morgens bis 6:00 Uhr abends auf Pauls Terrasse zu fahren erwies sich letzten Endes als die richtige. Zum einen, weil die verschärften Bedingungen verlängert wurden, zum anderen, na dazu mehr später…
Die Technik
Die ganze Technik habe ich in der Grafik oben illustriert. Der Smart Trainer (1) ist über Bluetooth mit einem iPad (2) verbunden. Auf diesem iPad läuft die Software von FulGaz, die für die Weltmeisterschaft genutzt wurde. Das iPad wiederum ist im WLAN Netzwerk mit dem Router (3) verbunden, und von da aus geht es ab durchs Internet zum Server von FulGaz (4). Über diese Verbindung erhält man in Echtzeit Informationen darüber wo man sich befindet, wie groß der Abstand zu den vorausfahrenden und nachfolgenden Fahrern ist, und welche momentane Leistung diese Fahrer erbringen. Das iPad ist zudem mit einem Fernseher (5) verbunden, was lediglich ein größeres Bild bedeutet. Für den Livestream wurden drei Kameras (6) über die Streaming-Software OBS angesteuert. Diese Software, auf einem eigenen Laptop (7), verbindet sich dann mit meinem YouTube Kanal (8) in dem ein entsprechender Livestream konfiguriert wird. Die Kontrolle des Livestreams erfolgte über einen weiteren Laptop (9). Die Eingaben für den Liveblog erfolgten über einen zusätzlichen Rechner (10) der sich aber nicht im Sport Raum befand. Über diesen Rechner wurde die Homepage, beziehungsweise der Liveblog, aktualisiert und auf den entsprechenden Server beim Webhoster (11) hochgeladen. Zu guter Letzt nutzte ich noch ein weiteres iPad (12) um den Liveblog selber verfolgen, die Spendenseite bei betterplace einsehen, und auch auf Pauls Blog vorbeischauen zu können. Auch war ich per Smartphone (zwölf) mit vielen von euch während des Rennens verbunden. Zum Glück muss man ja bei einem virtuellen Radrennen noch nicht lenken. Vielleicht etwas für die Zukunft.
Die sportliche Vorbereitung
Die Verschiebung um sechs Wochen kam mir sehr entgegen. Hatte ich doch nun mehr Zeit mich auf die Veranstaltung vorzubereiten. Dienstags und donnerstags fuhr ich meine standardmäßigen Trainingsrunden im Dunkeln nach der Arbeit, im normalen Tempo. Genau wie sonntags mit mal mehr, und mal weniger Trainingskameraden. Die Regeln sowohl in Deutschland als auch in den Niederlanden und Belgien änderten sich ja beinahe täglich. Die Sonntagsrunde ist immer eine längere Runde mit teilweise höherem Tempo. Den Samstag habe ich ab Dezember konsequent dazu genutzt, längere und härtere Trainings mit Intervallen zu absolvieren. Dies sollte dazu dienen, Wettkämpfe zu simulieren und die sogenannte Wettkampfhärte zu verbessern. Diese Intervalle waren lang und mehr auf Zeitfahren zugeschnitten, als auf Sprint oder Berg. An den beiden Tagen, an denen ich normalerweise je 10 km laufe, bin ich stattdessen abends auf dem Smart Trainer gefahren. Ich habe an mehreren virtuellen Rennen teilgenommen, um dort kürzere sehr intensive Intervalle zu trainieren. Insbesondere die Zeit des Urlaubs zwischen Weihnachten und Silvester wurde genutzt, möglichst viele Trainingskilometer zu absolvieren. Die letzten Tage vor der Weltmeisterschaft galten dann dem Tapering, d. h. herausnehmen, sich gut versorgen, um ausgeruht an den Start gehen.
Sonntag 10. Januar
Nach meinem sonntäglichen Training von rund 130 km am Morgen, galt es abends um 22:00 Uhr noch einmal in die Pedale zu treten. Denn heute war die offizielle Generalprobe des Veranstalters. FulGaz informierte uns in einer Zoomkonferenz über den Ablauf, die notwendigen Einstellungen in der App, und was bei Problemen zu tun sei. Die Videokonferenz startete um 22:00 Uhr, und ab 22:15 Uhr konnten wir parallel auf dem Meisterschaftskurs eine Runde drehen. Gegen 23:15 Uhr endete die Konferenz, alles hat funktioniert.
Samstag, 16. Januar
Am 16. Januar stieg die Spannung, und ich habe den ganzen Tag damit verbracht die Technik aufzubauen, zu testen, und noch diverse Vorbereitungen was die Verpflegung und Trikotwechsel angeht, durchzuführen. Dazu gehörte auch noch meine Müsliriegel zu backen, die Trinkflaschen vorzubereiten, die Gels herauszulegen, genügend Handtücher bereitzustellen etc. Abgeschlossen war alles erst gegen 22:00 Uhr abends.
Ich war froh im Bett zu liegen, aber gut geschlafen habe ich nicht. Wie immer hat man viel zu viele Gedanken. Meine größte Sorge galt der Technik. Falls etwas Großes schiefgehen würde, wäre ich nicht in der Lage mich während des Rennens darum zu kümmern. Zum Glück sollte es nicht nötig sein.
Sonntag, 17. Januar
5:00 Uhr
Der Wecker klingelt. Ich bin doch gerade erst ins Bett gegangen, oder? Es hatte geschneit, die Straßen sind natürlich nicht geräumt. Gut, dass ich nicht zu Paul muss, sondern nur in die Küche zum frühstücken und dann aufs Rad. Vor dem Frühstück schnell die komplette Technik hochgefahren und den Livestream gestartet. Beim Frühstück der obligatorische Blick in die E-Mails. Der Veranstalter hatte empfohlen vor dem Start des Rennens noch einmal nachzusehen, ob vielleicht wichtige Informationen per E-Mail verteilt wurden. Und genau das war der Fall. Fünfeinhalb Stunden vor dem Start gab es eine E-Mail in der eine kleine Prozedur beschrieben wurde, die vor dem Start ausgeführt werden sollte, um zu vermeiden, dass eventuell Runden und Kilometer nicht richtig angezeigt würden. Also noch schnell die Schritte durchführen, dann ab in die Radklamotten, und aufs Rennrad. Um 5:50 Uhr auf dem Rad, beginne mich moderat warm zu fahren. Bei den 12 Stunden Rennen ist der Plan nicht mit Vollgas zu starten, sondern ganz allmählich in den Flow zu kommen. Ich bin als langsamer Starter bekannt, und in meinem Alter ändert man das auch nicht mehr.
06:00 Uhr, km 0
Das war es mit dem Plan. Die fahren los wie die Bekloppten. Mich beschleicht ein ungutes Gefühl, schon viel zu früh, viel zu schnell zu fahren. Aber ich kann die anderen nicht unendlich weit davon ziehen lassen. Mal sehen wie lange das gut geht.
07:00 Uhr, km 32.8
Besser nicht beirren lassen. Ich fahre jetzt meinen Stiefel. Sollen die doch machen, was sie wollen. Draußen ist es noch dunkel und noch 11 Stunden in denen noch viel passieren kann. Die Technik scheint zu halten. In der ersten Stunde mehr als 1 l getrunken. Eigentlich zu viel. Auf jeden Fall muss der zweite Ventilator jetzt angeschaltet werden. Der erste wird direkt ins Fenster positioniert. Schöne frische kalte Luft, draußen liegt die Temperatur um den Gefrierpunkt herum.
08:00 Uhr, km 66
Trikot wechsel. Alles läuft relativ konstant. Geschwindigkeit und Wattwerte sehen gut aus. Bloß das Essen nicht vergessen. Wenn man einmal in Defizit gerät, dauert es lange, ehe der Körper das wieder kompensieren kann. Mittlerweile habe ich mich auf Platz 7 eingereiht. Sechs Leute vor mir 23 dahinter. Es wird draußen langsam hell, und meine Fahrradkumpels aus der Trainingsgruppe wach. Jetzt gibt es Action im Live-Chat und per WhatsApp. Keine Langeweile mehr.
09:00 Uhr, km 100.26
Immer noch Platz 7, und 1,26 km hinter dem als sechster platzierten Fahrer. Der Abstand nach vorne ist weiter gewachsen als ich wollte. Und irgendwie läuft es gerade gar nicht. Zu viel getrunken? Zu viel gegessen? Zu wenig kann es gefühlt jedenfalls nicht sein! Den Abstand zum vor mir liegenden Fahrer Fabian Schöneberg konnte ich bis kurz vor 10 Uhr immerhin auf 300 m reduzieren. Ich habe den Eindruck, dass einige von uns gerade einmal kurz durchschnaufen.
10:00 Uhr, km 129.3
Insgesamt immer noch auf einem guten Schnitt, war die letzte Stunde doch langsamer als die drei davor. Normalerweise wäre ich jetzt draußen unterwegs. Das motiviert, fühlt sich an wie ein ganz normaler Sonntagmorgen auf dem Rad. Nur mit dem Unterschied, dass man nicht vom Fleck kommt egal wie fest man tritt. Alexej moderiert jetzt den Live-Chat von Paul. Wir tauschen einige Informationen per WhatsApp.
11:00 Uhr, km 164
Es läuft wieder. Gefühlt bin ich irgendwie durch das tiefe Tal durch. Liege jetzt auf Platz 6. Außerdem nähern wir uns der Hälfte. So langsam komme ich in den „Pippi Langstrumpf Modus“, d. h. man macht sich die Welt wie sie einem gefällt. Also rechne ich mir das alles ganz schön: nur noch die Hälfte, obwohl es noch sieben Stunden sind, und gleich kommt bestimmt etwas Tolles im Fernsehen. Leider schaltet sich der Fernseher, auf dem die virtuelle Strecke läuft, automatisch ab. Kein Wunder, denn natürlich habe ich in den letzten Stunden die Fernbedienung nicht ein einziges Mal bedient.
Nachdem der Fernseher wieder gestartet ist, zeigt er leider keinerlei Datenfelder mehr an. Ein Softwarefehler in der FulGaz App. Also werden weder das Höhenprofil, noch das Leaderboard mit den Werten meiner Kontrahenten, noch die Landkarte mit den Positionen eingeblendet. Ich kann aber noch die Strecke sehen, immerhin. Den Rest dann halt auf dem iPad. Das steht jetzt direkt vor dem Rad. Wie wichtig diese Daten sind, sollte sich später zeigen.
12:00 Uhr, km 196
Wenn das mal gut geht? Man rechnet sich ja vorher aus wie weit man in 12 Stunden kommen kann. Das Minimalziel waren 300 km, das Wunsch Ziel 350. Dann müsste aber alles optimal laufen. Aber 390 km? Wir werden sehen! Während der siebten Stunde steigt mein alter Freund Jürgen in den WhatsApp Chat ein. Aus Sympathie fährt er im Keller 1 Stunde auf seinem Ergometer. Chapeau! Auch sind schon eine ganze Reihe von Spenden in den ersten 6 Stunden eingegangen, und ich hoffe natürlich auf noch mehr. Zur Abwechslung versuche ich mich an einem mit Käse belegten Brötchen. Ich brauche aber ewig bis ich auch nur die Hälfte davon gegessen habe. Buchen wir das unter Erfahrung ab.
13:00 Uhr, km 226
Kurze Pause, Trikot wechsel, Platz 6 mit 2 km Rückstand auf den vor mir liegenden Fahrer. Paul hat auch bereits die 200 km Marke geknackt und Roland liegt mit 190 km nur knapp dahinter. Gegen 13:15 Uhr überrunde ich virtuell Paul. Zitat von Paul per WhatsApp „Ich wusste, dass du hinter mir warst, aber ich habe dich nicht gesehen.“ So langsam hängen mir sogar die selbst gebackenen Müsli Regel zum Hals heraus. Gerne lasse ich mir ein mit schlesischen Gurken belegtes Vollkorn Toast reichen. Original schwedischen Gurken Salat konnte ich leider nicht besorgen. Wer schon einmal die Vätternrunde mitgefahren ist, weiß, wovon ich rede.
14:00, km 258
Insgesamt alles noch sehr konstant, sowohl Leistungswerte als auch Geschwindigkeit. Es wird zäh. Jürgen schickt mir Bilder vom Schlitten fahren. Wärend es also in München noch weiß ist, ist der Schnee bei uns bereits weggetaut. Normalerweise wäre ich spätestens jetzt von meiner Sonntagmorgen Runde zurück. Ganz schlechte Gedanken, wenn man noch 4 Stunden vor sich hat. Mittlerweile liege ich auf Platz 5, aber der Rückstand zu Platz 4 im Gesamtklassement beträgt 7 km.
15:00 Uhr, km 291
Was einem so alles durch den Kopf geht. Das erste Schruffsche Gesetz „ohne Fritt kein Tritt“, der Klassiker von Udo Bölts „quäl dich du Sau“, und der legendäre Spruch des Alten im Spielfilm das Boot „jetzt wird’s psychologisch, meine Herren“.
Ich hole langsam auf, glaube permanent irgendwelche Schwächen bei den vor mir liegenden Fahrern ausmachen zu können. Die Niederländer treten geringfügig weniger Watt pro Kilogramm Körpergewicht als ich. Bergauf hole ich immer auf, Berg ab und auf der flachen verliere ich wieder. Ich schließe daraus, dass das zwei typische „lange Kerles“ sind. Also typische Zeitfahrer die etwas schwerer sind als ich, und daher absolut bergab und im Flachen mehr Druck aufs Pedal bringen können. Ich muss versuchen in den letzten 3 Stunden bergauf Zeit zu gewinnen, und bergab etwas mehr Gas geben. Aber ab wann ist es sinnvoll wirklich anzugreifen? 3 Stunden vor dem Ende erscheint mir zu früh. Ich warte ab.
16:00 Uhr, km 325
Eine letzte kurze Pause zum Trikotwechsel, „undercut Strategie“ nennt man das bei der Formel 1. So langsam wird es ernst. In den letzten 30 Minuten habe ich den Abstand von 5,4 auf 4,6 km verkürzen können. Das wird natürlich nicht reichen um noch einmal einen Platz gut machen zu können. Also mehr Gas geben. Ich setze mir 16:30 Uhr als den Zeitpunkt, um meine finale Attacke zu starten. Der Abstand nach hinten erscheint mir groß genug, um dieses Risiko einzugehen. Auch wenn ich platzen sollte, und man weiß nie, wann der Mann mit dem Hammer an der Straßenseite steht, müsste es immer noch reichen um meinen Platz zumindest verteidigen zu können. Der neuseeländische Fahrer Rooney verschwindet plötzlich aus dem Leaderboard. Technische Probleme? Einfach eine falsche Darstellung? So ganz genau weiß man leider nicht mehr auf welchem Platz man liegt.
16:30 Uhr, km 341
Ich hole stetig auf. Irgendwann werden die beiden Kollegen vor mir meine Taktik durchschauen. Ich erhöhe wie geplant mein Tempo.
17:00 Uhr, km 361
Die beiden haben den Braten gerochen. Mittlerweile haben sie auch die Plätze untereinander getauscht. Die Zuversicht wächst in mir, dass ich den vor mir liegenden Niederländer noch einholen werde. Immer wieder rede ich mir ein, Schwächen bei ihnen zu erkennen, wenn das mal kein Wunschdenken ist. Aber der Abstand ist in relativ kurzer Zeit auf nunmehr 1,5 km gesunken. Das bedeutet aber, dass ich die letzte Stunde konstant 1,5 km/h schneller fahren muss, um überhaupt gleichzuziehen. Sollten beide taktieren und kurz vor dem Zusammenschluss attackieren, könnte mir das natürlich den Zahn ziehen. Aber wer würde so ein Risiko eingehen? Jetzt heißt es alles oder nichts.
17:17 Uhr
Ob er eine Pause gemacht hat, und meine „ undercut Strategie“ aufgeht, oder einfach am Limit war, weiß ich nicht. Aber ich habe es tatsächlich geschafft Nijweide nicht nur einzuholen, sondern zu überholen. Schnell noch ein Gel.
17:30 Uhr
Jetzt habe ich noch 1,5 km Rückstand auf Jellema. Der wehrt sich bitterlich. Das nächste Gel ist fällig.
17:45 Uhr
Ich habe Krämpfe im linken Oberschenkel. Leider kann ich darauf jetzt keine Rücksicht nehmen, also Ruhe da unten und weiter treten. Ein zwei kleine Dehnübungen, und es geht wieder weiter mit Vollgas. Solche Situationen kennen alle, die schon mal Radrennen gefahren sind. Oft verschwinden die Krämpfe wieder, man kann sie wieder raustreten, manchmal gibt es aber auch einen großen Knall, und nichts geht mehr.
17:50 Uhr
Ich bin an Jellema vorbeigezogen, oder doch nicht? Die Anzeige wechselt ständig zwischen Platz 2 und Platz 3. das liegt daran, dass technisch die jeweiligen Daten nur alle 30s mit dem Server abgeglichen werden.
17:54 Uhr
Nach einer paar weiteren Minuten war klar, dass ich vorbeigezogen bin. Aber Jellema gibt weiter Gas und will sich nicht geschlagen geben. Noch 6 Minuten alles was geht.
18:00 Uhr, km 398.01
Geschafft. Das Leaderboard zeigt Platz 2 für meine Altersklasse, Platz 3 für alle Altersklassen. Aber nicht bei allen wurde alles korrekt gezählt. Die Auswertung wird sicher dauern…
18:10 Uhr
Ich steige vom Rad. Nicht so einfach mit so dicken Beinen. Nur 10 Minuten ausfahren ist zu wenig, aber ich muss unter die Dusche. Davor noch den Livestream stoppen und die ganze Technik wieder runterfahren.
19:00 Uhr
Ich freue mich auf den Hamburger danach. Mehr als einen schaffe ich nicht. Dazu ein alkoholfreies Bier.
Samstag, 23. Januar
Das Endergebnis ließ lange auf sich warten. Alles war am Ende so, wie von meiner Crew Chefin berechnet und während des Rennens protokolliert.
Vizeweltmeister in der Altersklasse 50–59, und insgesamt Platz 3.
Insgesamt eine tolle Erfahrung, eine erfolgreiche Spendenaktion und auch ein sportlicher Erfolg mit dem ich nicht gerechnet hätte.
Euch allen die mich unterstützt haben, während der Vorbereitung und der Durchführung, und allen Spendern noch einmal vielen Dank!
Nachtrag:
Montag 18. Januar,
Als ich die Treppe herunter gehe war klar, dass das Home-Office heute eine tolle Alternative ist. Statt wie normalerweise die 10 km zum Büro mit dem Fahrrad zu fahren, genieße ich lieber einen Milchkaffee. Gefühlt hätte ich die 10 km auch nicht geschafft.
Dienstag 19. Januar,
Leider ist der Bruder eines Freundes plötzlich verstorben. Nein nicht an Corona. Da es in unserem Dorf wegen des Lockdownskeine Möglichkeit gibt Briefmarken zu erwerben, überredet mich meine Frau abends unsere Beileidskarte eigenhändig Martin zu übergeben. Treffen irgendwo mitten auf auf der Strecke in den Niederlanden, der üblichen Abendrunde. Leider waren das 25 km Gegenwind, die ich, um Martin überhaupt noch abfangen zu können, mit richtig Druck fahren musste. Die Karte übergeben, und dann nach Hause. Trotz des nun unterstützenden Rückenwindes habe ich für die 50 km genau so lange gebraucht wenn ich sonst nur 75 km benötige. So ganz spurlos ist es nicht an mir vorbeigegangen 😂
Samstag 23. Januar,
Die Beine sind zurück, alles fühlt sich wieder relativ normal an. Früher war mehr Lametta…